Soeben hat Salesforce, einer der größten US-amerikanischen Cloud-Anbieter, bekanntgegeben, dass seine BCR (Binding Corporate Rules) von den europäischen Datenschutzbehörden (Art. 29 WP) akzeptiert worden sind. Siehe detaillierte Informationen dazu hier.
Die führende Behörde hinter der Zulassung war die französische Commission Nationale de l'Informatique et des Libertés (CNIL), unterstützt von der niederländischen DPA und dem bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht. Liste der von der Europäischen Union akzeptierten BCR hier.
Diese Entwicklung muss im Zusammenhang mit dem vom österreichischen Juristen Max Schrems im Oktober 2015 erwirkten Ende des Safe Harbor Agreements (siehe "EU versus Facebook") gesehen werden. „Meiner Meinung nach würden auch die europäischen BCR eine ähnliche Untersuchung durch den Europäischen Gerichtshof nicht überleben,“ sagt Tobias Höllwarth, Vizepräsident von EuroCloud Europe. Laut Ansicht von Höllwarth könne wohl keine individuelle Vereinbarung zwischen zwei Unternehmen – egal, wie gut es formuliert sei – das grundsätzliche Problem beseitigen, „dass das geltende US-Recht auf der Basis des Patriot Act in manchen Bereichen fundamentale Unterschiede zum bestehenden europäischen Recht aufweist. Unternehmen werden dieses Hindernis nicht überwinden können – nicht einmal mit BCR.“
Soweit also die unangenehmen Tatsachen für etliche tausend amerikanische Cloud-Anbieter, die Daten von europäischen Kunden speichern und verarbeiten. Siehe dazu Informationen vom Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten hier, den laufenden Gerichtsfall von Microsoft gegen die USA (der sogenannte „Ireland case“) hier, und einen Kommentar im New York Law Journal hier.
Andererseits ist auch klar, dass dies zu einer katastrophalen Situation für europäische Cloud-Kunden führen könnte, die Cloud-Dienste von Anbietern außerhalb des IT-Schengen-Raums beziehen wollen – eine Situation, die sich sicherlich niemand wünscht.
Trotz der überraschenden und geschickten Vereinbarung zwischen Microsoft und der Deutschen Telekom, die DT als Treuhänder für die Microsoft-Dienste Azure und Office 365 einzusetzen (siehe hier), ist klar, dass diese Vorgehensweise nicht als Modell für jeden Cloud-Anbieter außerhalb der EU dienen kann. „Weder kann die Deutsche Telekom beliebig viele Cloud-Dienste abwickeln, noch ist das Modell für den Cloud-Kunden wirtschaftlich von Vorteil, da er für die Treuhandschaft zusätzliche Gebühren bezahlen muss,“ so Höllwarth der weiter ausführt: „Die Bemühungen von Firmen wie Microsoft oder Salesforce sich in Europa in vorbildlicher Weise um hochwertige Servicequalität und die Einhaltung sehr komplexer und in jedem EU-Land leicht unterschiedlicher gesetzlicher Datenschutzvorgaben zu bemühen, verdient höchsten Respekt. Es sind die unerträglichen juristischen Rahmenbedingungen in Europa, die kritisiert werden müssen. Dass sich große internationale Unternehmen dennoch darum Bemühen, es in jedem einzelnen Land richtig zu machen, ist bewundernswert. Die meisten Unternehmen haben gar nicht ausreichend Ressourcen um diese Herkulesaufgabe zu bewältigen“
Es ist daher interessant zu wissen, dass zunehmenden Gerüchten zufolge die neue Europäische Datenschutzrichtlinie zu Beginn des kommenden Jahres vom EU-Ministerrat angenommen werden könnte.
Nach dem Entwurf der Kommission von 2012 und dem Albrecht-Bericht (siehe EU/Albrecht Report), der vom EU-Parlament kurz nach der Enthüllung des Falls Snowden mit 95-prozentiger Zustimmung abgesegnet wurde, warten wir nun schon seit mehr als 18 Monaten darauf, dass der Rat die Vorlage hoffentlich unverändert absegnet.
Derzeit läuft in auswählten Kinos ein äußerst beeindruckender unabhängiger Dokumentarfilm (Link), welcher die Entwicklung dieses neuen Gesetzes und den massiven Widerstand von Lobbyisten gegenüber Jan Philipp Albrecht (siehe hier), einem 33-jährigen Mitglied des Europaparlaments und Vorsitzenden des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, zeigt. Albrecht war der offizielle Berichterstatter über den Gesetzesentwurf im Europaparlament.
In seiner letzten Entwicklungsphase befindet sich zur Zeit auch ein einschlägiges multinationales Programm namens Cloud Privacy Check (CPC). Mehr als 40 Juristen aus 31 Ländern arbeiten an diesem Projekt, dessen Endbericht in Kombination mit einem sachdienlichen Online-Tool voraussichtlich Ende Januar 2016 in 25 Sprachen veröffentlicht wird. Vor dem Hintergrund von Safe Harbor, Binding Corporate Rules und der erwarteten Europäischen Datenschutzrichtlinie wird der CPC also genau zur richtigen Zeit zugänglich werden.
Der CPC soll für die kommenden 2-3 Jahre als Richtlinie für Cloud-Anbieter, -Kunden und -Benutzer dienen und ihnen helfen, Konzepte, Bedingungen und den grundsätzlichen Wert von Datenschutzregelungen zu verstehen. Ebenso soll er den Umgang mit länderspezifisch unterschiedlichen Datenschutzverordnungen vereinfachen, bis einheitliche – oder zumindest ähnliche und vergleichbare – Datenschutzgesetze in allen betroffenen Ländern wirksam werden.
Der Cloud Privacy Check erleichtert die Arbeit durch drei methodische Ansätze:
Vereinfachung einer komplexen Materie ohne inhaltliche Verluste. Das Ziel des CPC ist es, das Thema Datenschutz in der Cloud zu 90% auf einer einzigen Seite zu erläutern und damit für 90% der Leute, die sich damit auseinandersetzen müssen, eine verständliche und umsetzbare Basis zu bieten. Aber keine Sorge: Juristen werden nach wie vor benötigt.
Strukturierung einer Vielzahl von Fragen in einzelne Themenblöcke, welche dann schrittweise angegangen werden können – vom einfachsten bis zum kompliziertesten Fall. Damit korreliert werden gleichzeitig die jeweils benötigten rechtlichen Werkzeuge, die dann im Detail von Juristen auszuarbeiten und zu bewerten sind.
Trennung des Allgemeingültigen vom Spezifischen. Dies ist wahrscheinlich die wichtigste Hilfe für die Handhabung von komplexen grenzüberschreitenden Unternehmungen. Indem er diejenigen Aspekte identifiziert, die in allen Ländern gleich sind, erlaubt der CPC es dem Benutzer, sich auf die Unterschiede und Eigenheiten zu konzentrieren – wenn diese überhaupt auf ihn zutreffen. Der CPC will schnell und einfach Zugang zu relevanter Information bezüglich der Regelungen in anderen Ländern bereitstellen, ohne dass der Nutzer sich mit Aspekten aufhalten muss, die gleich sind wie zu Hause.